Arberger Mühle© 2003-2006 Werner Möller |
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Die Windmühle in ArbergenKirchen und Windmühlen haben eigentlich etwas Gemeinsames - das ist ihre Ausstrahlung auf das über Jahrhunderte nach festen Abläufen geregelte Dorfleben: So wie das Geläute der Kirchenglocken die Einwohner zum Gottesdienst mahnt, per Glockenschlag die Uhrzeit mitteilt oder bei Hochzeiten Freude und bei Todesfällen Leid verkündet, so ist es bei einer Mühle recht ähnlich - ja die Mühlen haben gewissermaßen ihre eigene Mühlensprache: Ein Blick auf den Mühlenberg zeigte stets die Richtung an, woher der Wind wehte. An der Stellung des Flügelpaares konnten die Landleute früher von weitem erkennen, ob die Mühle betriebsbereit war und sich die Flügel drehten oder ob sie als schräge Schere die Feierabendstellung signalisierten. Es gab eine Freudenschere bei Hochzeiten oder Geburten im Müllerhause und eine Trauerschere, wenn der Müllermeister seinen letzten Gang angetreten hatte. Dieses traute "Nebeneinander" findet man heute noch im Kirchdorf Arbergen, und das schon seit mehr als vierhundert Jahren!
Ein altes Dokument löst das Geheimnis über die Entstehung der Arberger Mühle. Dabei ging es eigentlich um eine Beschwerde der adligen Gutsherren aus dem Gohgericht über den ihrer Meinung nach unrechtmäßigen Bau der Achimer Windmühle im Jahre 1651. In dem Schriftstück beriefen sich die Adligen immer auf die ihnen von altersher zustehenden Privilegien und die vererbten Rechte: "Wir konnten zugegebenermaßen nicht umhin, daß bey uns ein wahrhaftiges Geschrey ausgegangen, als wir davon erfuhren, daß neben der im Gohgerichte vorhandenen Wasser- und Windmühlen, womit etliche Adlige Geschlechter unserer Väter erblich provitieret, annoch eine neue Windmühle aufzubauen im Vorschlage, und der Anfang bereits dazu gemacht sei. So viel es die Mühlen dieses Orts betrifft, daß erstlich eine Windmühle zu Arbergen vohanden, welche Stätte zwar für undenklichen Jahren dem gewesenen Capitell zu St. Ansgary in Brehmen zuständig gewesen. Nachdehme dieselbe aber eine geraume Zeit in Abgang gewesen und solche Gerechtigkeit von den Clüvern zum Cluvenhagen erblich erhandelt, auch vor vielen Jahren auf gnädigste Concession Bischoff Heinrichsen mit der Clüver vercostung, hinwieder erbauet und bis auf diese Zeit von den Clüvern zu Cluvenhagen genutzet und gebrauchet worden. Und weil also wegen solcher Arberger, und der anderen benachbarten, insbesondere der Mühle zu Ottersberge, welches Haus dem Capitulium zu Brehmen gehörig, nach dessen Abnutzung hat sehl. Lüder Clüver für solchen Abgang an das Haus Ottersberg 200 Rth. bar gezahlt. Die Original-Documeta sind noch bei den Clüvern zum Cluvenhagen vorhanden. Außerdehme hat das Clüvergeschlecht zu Embsen und Sagehorn, wie auch Hauptmann Knaust zum Clüvers - Wehrder und von denselben die nächsten Anverwandten jeglicher eine Wassermühle von den Vorfahren her genossen." Somit ist die Arberger Windmühle also schon viel älter als zunächst angenommen und der im Jahre 1579 dem Achimer Gohgräfen zugestandene erzbischöfliche Freibrief zum Bau einer Windmühle in oder bei Arbergen kann bestenfalls die Errichtung einer zweiten Arberger Windmühle belegen. Drei Jahre später segnete auch das Bremische Domkapitel den Erwerb gegen die bereits bekannte Zahlung von 200 Thalern wegen der Ottersberger Mühle ab. Diese für damalige Zeiten erhebliche Summe entschädigte den Bremer Erzbischof als Besitzer der Ottersberger Burg für die Vergabe des Mühlenprivilegs und den Verlust einiger Mahlgäste. Die erste Mühle war eine Bockwindmühle. Sie stand auf einem gewaltigen Eichenpfahl, dem Hausbaum, der wiederum auf einem schweren Felsstein lagerte. Diese alte Mühle befand sich etwa 30 Meter neben dem jetzigen Standort und der große Bodenstein mit eingemeißeltem Kreuz liegt heute noch neben der Auffahrt zum Müllerhaus. Um die Jahrhundertwende wurde die Kuppe abgetragen und zum Vorschein kamen neben dem Stein noch starke Eichenpfähle, Überreste des Bockes, welche im weißen Dünensand die Jahrhunderte überdauerten. 1611 vermachte Lüder Clüver, erbgesessen zu Cluvenhagen, seinem jüngsten Sohn Franz seine Stammgüter, einschließlich der Windmühle in Arbergen. Franz studierte um 1615 in Marburg und befand sich in chronischer Geldnot, denn schon 1620 verpfändete er mit der Zustimmung seines Bruders, des Domherren Alverich Clüver, sein gesamtes Vermögen, darunter auch einige Meierhöfe aus dem Besitz in Uphusen und Oyten. Durch die nachfolgenden, meist chaotischen Ereignisse - man befand sich mitten im Dreißigjährigen Krieg - wurden die Eigentumsverhältnisse für einige Jahre recht undurchsichtig, das Armenhaus des Bremer Domkapitels kam wegen einer nicht eingelösten Schuldverschreibung Franz Clüvers in den Besitz der Mühlenstelle. Nach seinem Tode im Jahre 1629 führte der nächste Anverwandte Alverich Chiver, "Thumbherr und Scholaster der Kirche zu Vehrden", die Verwaltung der noch verbliebenen restlichen Güter, einschließlich der Arberger Windmühle und des Müllerhauses weiter, wobei die Gelder "zum Nutzen des Armenhauses in der Buchtstraße" Verwendung finden sollten. 1634 kam die Mühle vorübergehend in den Besitz eines Ahrend von der Hude. Dieser blieb aber auch einen Großteil der Kaufsumme schuldig, wie einem Dokument aus dem Jahre 1642 zu entnehmen ist. Am 10. Oktober 1642 legte der "Erzbischöfliche Bremische Capitain und Thumbherr zu Vehrden und Merseburg" Lüder von Wersabe, eintausend Reichstaler für die Mühle und das Müllerhaus in Arbergen auf den Tisch des Armenhauses in der Buchtstraße und hatte somit die einträgliche Einnahmequelle durch "einen rechten, beständigen Erbkaufsvertrag" in seine Hände gebracht. Seitdem blieb die Mühle zunächst in herrschaftlichem Besitz und der eingesetzte Müller war lediglich Pächter; später ging sie in privates Eigentum über - bei allerdings häufig wechselnden Namen. Die ersten Mühlenpächter verlieren sich im Dunkel der Geschichte, im ältesten Arberger Kirchenbuch ist ein "Johann Ammermann der Müller" genannt, er zeigte am 21. Mai 1665 die Geburt seiner Tochter Ilse an. Am 11. Juli 167 8 beklagte er sich bitterlich beim Achimer Gohgräfen und Richter über einen seiner Meinung nach ungerechtfertigten Übergriff des Kommandanten und Verpflegungsoffiziers in der Bremer Burg. Anscheinend mußte er Mehl und Korn an die münsterschen Besatzungstruppen in die Befestigung liefern, dabei kam es zu einem erbitterten Streit und einer nachfolgenden, heftigen Schlägerei mit den Soldaten. Der lädierte und angeschlagene Arberger Müller bat um weiteren Beistand bei seiner Obrigkeit im Gericht Achim. Ja, es waren damals harte und wilde Zeiten und auch ein armer Müller mußte sich zu wehren wissen. Johann Ammermann starb am 13. März 1699 im Alter von 68 Jahren, er fand seine letzte Ruhestätte auf dem nahegelegenen Friedhof. Als nächster Müller erscheint ein Dierk Meyer in den Arberger Kirchenakten. Sein Leben stand unter keinem guten Stern, er heiratete am 11. April 1670 und starb schon in jungen Jahren im März 1683, nach seinem Tode wurde noch die Tochter Alke geboren, die ebenfalls sehr früh im zarten Alter von 12 Jahren wieder dahinschied. Die Witwe des Müllers überlebte ihren Mann nicht mal um ein Jahr, man trug sie am 15. Februar 1684 mit nur 36 Jahren zur letzten Ruhe. Auch nach dem Aussterben dieser Müllerfamilie schlug das Schicksal noch einmal heftig zu und der Arberger Pastor vermerkte unter dem 19. Juli 1694: "Heute frühe morgens umb 4 Uhr brennet vor meiner Thür des seligen Müllers Dirk Majors (Meyer) Kindern ihr Haus ab, darinnen nun Carsten Frerichs wohnet." Über die genaue Mühlenpächterfolge kann hier nur spekuliert werden. Es liegt hier aber die Vermutung nahe, daß Johann Ammermann zunächst den jungen Dierk Meyer als Mühlenknecht beschäftigte, in der Hoffnung, ihn als seinen Nachfolger in die Besonderheiten des Müllerhandwerks einzuführen. Leider kam es durch das frühe Ableben des Mühlenknechtes anders und wahrscheinlich mußte der alternde Ammermann alleine weiterwirtschaften, bis er einen geeigneten Nachfolger gefunden hatte. Dieser kam zu Ostern des Jahres 1684 und hieß Berend Timken. Schon bald nahm er das Geschäft mit gutem Erfolg auf. Die Mühlenheuer war mit 100 Reichsthalern nicht gerade günstig ange- setzt, aber das Gewerbe lief für Berend Timken recht zufriedenstellend weiter, so daß er sich mit der Zeit ein paar Thaler auf die hohe Kante legen konnte. Was nach abgezogenen Bau- und Unterhaltungskosten übrig blieb, zahlte er an den Magistrat der Stadt Bremen als Kreditgeber des edlen Herrn von Wersabe.
Allerdings verlor er von seinen acht Kindern mit seiner Frau Alke auch fünf im Kindesalter, 1702 schließlich verstarb auch seine Ehefrau mit 46 Jahrer. Am 3. 11. 1707 trat er zum zweitenmal mit Magdalene Hügen vom Uphuser Panrepel (Ellermanns) in den Ehestand. Im Herbst des Jahres 1706 machte der Arberger Müller einen recht ungewöhnlichen und äußerst mutigen Schritt; er kündigte seinen Pachtvertrag mit Anton Günther von Wersabe zu Cassebruch auf. Der Grund lag in der Erhöhung des Pachtzinses auf 130 Reichsthaler. Diese konnte und wollte Berend Timken nicht mehr bezahlen, wie seinem " unterthänigst - demütigen" Gesuch vom 14. Oktober 1706 zu entnehmen ist: "Weil ich aber mich dazu nicht verstehen kann, wie dann die Mühle es auch nicht abtragen kann, solche Mühlenpacht mir aufgesaget, daß ich also auf bevorstehenden Ostern 1707 davon abziehen muß. Damit ich dadurch samt den meinigen nicht ganz nahrungslos gemacht und an den Bettelstab gebracht werde, habe ich bey der Hemelinger Braake diesseits nach Hemelingen zu eine bequeme Stelle zur Erbauung einer eigenen Windmühle aus meinen Mitteln ausersehen, wozu ich die Eingesessenen in den benachbarten Dörfern Hemelingen, Schwachhausen und Hastedt als freiwillige Mühlengäste zu erhalten verhoffe, nachdeme mal die letzteren Dörfer ihr Korn bisher gemeinlieb nach Bremen zu mahlen bringen, daselbst aber die Accise bezahlen müssen, auch wegen Schließung der Stadtthore nicht allemal freyen acces haben." Nun machte sich sein ehemaliger Verpächter große Sorgen darüber, daß der tüchtige Müller Berend Timken die ihm von seiner alten Wirkungsstätte her wohlbekannten Mühlengäste an die neue Mühle nach Hemelingen ziehen würde. Ja, er befürchtete sogar, daß der alteingesessene Müller die neuen und auch besonders die alten Mühlengäste mit Speis und Trank an sich binden könnte. Mit diesen bedrückenden Gedanken im Kopf forderte er die "Königlich Schwedische Regierung" in Stade unmißverständlich auf, es dem Berend Timken zu untersagen, an dem so nahe an Arbergen gelegenen Ort eine neue Windmühle erbauen zu lassen, es müßte mindestens ein Abstand von zwei Meilen zu seiner Arberger Windmühle gewahrt bleiben! Das Schreiben wurde am 15. April 1707, also kurz nach dem Weggang des Berend Timken von der Arberger Mühle, aufgesetzt. Schützenhilfe erhielten die Herren von Wersabe von dem Gräflich-Königsmarckschen Amtsschreiber Ohlsen durch eine "Denunciations- und Vorstellungs-Schrift" gleichen Datums an die Regierung in Stade wider den Müller Berend Timken:
"Als wir die gar schwere Nachricht erhalten, daß der vorhin gewesene Müller zu Achim (gemeint war Arbergen, der Verf.) mit Namen Berend Timken, eine neue Windmühle zu Hemelingen aufzubauen vorhabe und deswegen die Zimmerleute bereits mit der Arbeit begriffen seyen; so haben wir die unterthänigste Pflicht bey gegenwärtigem Zustand untertänigst und gehorsamst zu denuncieren und dabey vorzustellen, daß solch eine neu zu erbauende Mühle der Königsmarckischen Windmühle zu Achimb zum Nachtheil gereichen und großen Schaden verursachen wird, sintemal einige Dörfer und Mahlgäste, so vor diesen zu Achimb mahlen ließen, nach Hemelingen abgehen würden." Aus dem bis zum Jahre 1711 währenden Mühlenstreit ist zu erkennen, daß es für den Arberger Mühlenbesitzer nur eins gab - Die Hemelinger Mühle mußte weg! Aber geschafft haben die Herren von Wersabe es nicht, Berend Timken mit allen Mitteln - und die waren sehr vielfältig - von seiner inzwischen auf Erbenzinsrecht erbauten Windmühle zu vertreiben! Ab 1707 übernahm dann ein anderer Müllermeister namens Cord Gohde die Arbeit in der Arberger Windmühle, und die Nachrichten darüber fließen etwas spärlicher, 1717 mußten die beiden Windmüller aus Hemelingen und Arbergen je 1 Thaler und 24 Schilling Strafe an das Gohgericht Achim zahlen, weil sie "unter der Predigt haben mahlen lassen!" Wenn auch der Wind noch so günstig stand - Sonntagsarbeit wurde also damals hart bestraft. Denunziert wurden die beiden vermutlich durch den Achimer Gerichtsvoigt Hans Konau, dieser wohnte in Hastedt an der Bremer Grenze "Bei den drei Pfählen" und kam auf seinem Weg nach Achim an den beiden Mühlen vorbei. Solche Strafen nannte man "Brüche" und wurden vom Gerichtsvoigt, heute würde man von einem Vollzugsbeamten mit doch recht weitreichenden Befugnissen sprechen, eingetrieben - bei einer gewissen Provision für die eigene Tasche ein durchaus lukratives Geschäft. 1723 betrieb Cord Bogert die Windmühle zu Arbergen, und der Müllergeselle Wilhelm Meyer ging ihm 1726 zur Hand. Die Mannzahl- oder auch Musterungsrolle von 1729 weist unter den Arberger Brinksitzern anschließend Rönning Meyer als Müller aus. Trotz aller Befürchtungen durch die Herren von Wersabe muß es den Arberger Müllern in diesen Jahren doch recht gut gegangen sein, denn sie konnten dem neuen Arberger Schmied namens Otto Wiesen ein Darlehen zur Hofgründung geben (1743) und dem Boller Lehrer Johann Coors wegen mangelnden Einkommens das Geld für das Mehl vorschießen (1753). Im Dezember 1747 ist über den Arberger Windmüller Hinrich Deters im Kirchenbuch vermerkt, daß innerhalb von 4 Wochen 5 Kinder an der roten Ruhr verstarben. Insgesamt hatte er mit seiner Frau Isabe 12 Söhne, von denen wohl die wenigsten über das Kindesalter hinauskamen. Aus dieser Familie fand sich kein Nachfolger für die Mühle und Hinrich Deters verstarb schon am 11. März 1752 im Alter von nur 48 Jahren. Nun pachtete Hans Henrich Gieseke die Mühle, betrieb sie einige Jahre und kaufte sie schließlich Anfang 1757 der Familie von Hoerden "unter gewissen Bedingungen" ab - was darunter zu verstehen war, verschweigen die Akten. Somit kam die Mühle endlich in private Hand und der Müller konnte auf eigene Rechnung wirtschaften. Zum Kauf der Mühle hatte man sich 1600 Reichsthaler von Johann Diedrich Bruns, dem neuen Besitzer des Colshornhofes, geliehen, die am 20. 07. 1765 auf der Amtsstube im Gericht Achim als Schuldverschreibung im Namen seines Schwiegersohnes Hermann Martens in den Akten ihren Eintrag fanden. Dieses war eine enorme Summe, die etwa dem Gegenwert von zwei größeren Bauernhöfen entsprach. Da der Geldgeber verlangte, daß ihm zur Sicherheit auch sämtliche, die Mühle betreffenden Dokumente in Verwahrung gegeben würden, stellte man ein Verzeichnis derselben auf: "Verzeichnis der Schriften, so zu der Arberger Mühle gehörig No. 1 Ertz-Bischöflicher Freybrief an Lüder Clüver zu Cluvenhagen, eine Windtmühle in oder bey Arbergen im Gericht Achim, auf seine Kosten zu erbauen, auf Pergament geschrieben, woran kein Siegel mehr vorhanden. Außgefertiget Bremische Vörde dienstags nach Trinitatis, nach Christi unseres Seligmachers geburt, im fünfzehenhunderten und neun und siebentzigsten Jahr. unterschrieben Henrich Dux Saxo No. 2 Des Brehmischen Dohm Capitul mit Koncession zu obengenannten Arberger Mühlenbaues, auf Pergament ausgefertigt am Jahre nach Christi unseres lieben Herrn geburth fünfzehenhundert zwey und achtzigk, Freytag nach Laetare, worunter auch kein Siegel hanget. No. 3 Erbkaufbrief des Capitell der Collegiat Kirche zu St. Anscharii in Bremen über ein derselben Kirche höriges Stücke Land, zwischen Arbergen und Mahndorf belegen, von dem Herwege an und wo die Mühle stehet, welches stück 3 ruthen 7 Fuß breit, darauf auch die Mühle stehet, auf Pergament, welches sehr in Falten auch sonst zerrißen, ausgefertiget, worann auch kein Siegel hanget, Im Jahr fünfzehn und drey und achtzig, Woche nach Invocavit. No. 4 Original Kaufbrief, wegen der Windt Mühlen zu Arbergen, auf Pergament vom Dohm Capitell zu Bremen, mit anhangendem Siegel, an Dohmherrn Lüder von Wersabern, den 10. octobris 1642 ausgefertiget. No. 5 Original Kaufbrief von Georg Ludewig und Cathrina Oriana von Hoerden, an Hans Henrich Giesecke, den 134. April auf CH:Sigill: ausgefertiget. No. 6 Original Protocoll d.d. Achim, den 20. Januar 1757 Schon 1754 heiratete die Tochter Anne Marie Elisabeth Gieseke den Windmüller Hermann Martens, bisher Müller auf dem Hodenberg in Oberneuland. Seine Wünsche nach einem gesunden Müllernachwuchs wurde durch Krankheit und Tod zunichte gemacht - innerhalb weniger Jahre starben 4 Söhne sowie die einzige Tochter; und 1764, nach nur 10 jähriger Ehe, verstarb auch seine Ehefrau. Er heiratete im nächsten Jahre ein zweitesmal, und schied am B. März 1766 mit nur 33 Jahren dahin. Nun ging die Mühle in den Besitz des Geldgebers Johann Diedrich Bruns über. Dieser verpachtete die Mühle weiter an Wilhelm Meyerholz, ebenfalls Müller auf dem Hodenberg. Am 5. Januar 1784 war auch dessen Lebensweg mit 45 Jahren beendet. Daraufhin bestimmte der Eigentümer Bruns vom Hof Colshorn das weitere Schicksal der Mühle und stellte folgenden Erbvertrag auf: "Meinem Sohn Friedrich übergebe und übertrage ich zum Erbenzins-Eigenthum und dieses als seinen kindlichen Erbtheil meine vor dem Dorfe Arbergen belegene Windmühle nebst Haus und Zubehör, so wie ich diese Mühle gehabt, genutzet und behalte, disponiere aber und setze dabei fest, a) daß gedachter, mein Sohn Friedrich, dessen Erben und Erbnehmer, sowie jeder Besitzer dieser Mühle, ohne daß jedoch bei Veränderung des Erbenzins-Mannes ein Weinkauf an den Erbenzins-Herr erlegt wird, jährlich einen Erbenzins von 80 Rthr sage achtzig Rthlr in gewichtigem Golde halb auf Ostern, halb auf Michaelis, nach Erbenzins Recht an den adlig-freien Hoff Colshorn, oder vielmehr an seinen Bruder Johann Hinrich, dessen Erben und jeden nach ihm kommenden Eigenthümer oder Besitzer bezahlen soll. b) Soll diese dergestalt von mir transferierte Mühle schuldig seyn, für den Hoff Colshorn unentgeltlich und mattenfrei zu mahlen und zum Bedarf des Haushaltes auf demselben, zur Mühle gebracht werden, jedoch daß die etwaigen auf dem Hofe wohnenden Häuersleute ausgeschlossen sein. c) Soll der Hoff schuldig seyn, wenn an der Mühle oder dem Hause desselben Reparaturen vorfallen, die etwaigen Fuhren, die dazu erforderlich seyen möchten, in der Regel unentgeltlich zu verrichten, als solches der Hoff ohne Nachteil zu erledigen möge."
Kurz vor dem Jahre 1800 kam der Müllergeselle Georg Wilhelm Köster aus Dörienloh im Amte Ehrenburg nach Arbergen und klopfte am Müllerhause wegen Arbeit an. Müllermeister Bruns freute sich über die Hilfe und bald darauf nahm der neue Geselle seine körperlich schwere Tätigkeit in der betagten Bockwindmühle auf. Dieser sah man auch das inzwischen recht hohe Alter an und im Bremer Umland zählte sie gewiß zu den "Mühlengreisen". Fast 220 Jahre hatte sie in Krieg und Frieden, in guten als auch in schlechten Tagen der Bevölkerung weit und breit das Korn geschrotet, nun hatte sie ausgedient, denn der Mühlenbesitzer Bruns trug sich seit einiger Zeit mit Neubauplänen. Die Bockwindmühlen galten seit längerem als veraltet und unrentabel, es mußte also eine schöne neue, vor allen Dingen größere und leistungsfähigere Windmühle gebaut werden. Am 29. März 1803 war es dann soweit: Ein Prachtbau von Mühle - ein sogenannter "Galerieholländer" mit schmucker, drehbarer Haube und weithin sichtbaren Mühlenflügeln stand neben der windschiefen, holzverkleideten Bockwindmühle aus vergangenen Jahrhunderten. Ursprünglich besaß die Mühle noch eine Stroheindeckung und die Flügel hatten die damals üblichen Segel anstatt der verstellbaren Jalousien. Um 1900 bekam die Mühle eine aus Feuerschutzgründen wohl notwendige Bedachung aus Zinkblech und die schöne Stroheindeckung verschwand. Erst 1930 hatten auch die Segel ausgedient und die Flügel erhielten nach einer gründlichen Überholung die zweckmäßigeren und dauerhaften Jalousien. Bis zu diesem Jahre wurde auch der Mühlenkopf noch mit einer Handwinde über "den Steert" in den Wind gedreht und dort gehalten, dann erst bekam sie eine sich fleißig drehende Windrose aus der Windmühle zu Oyten, welche die Flügel selbständig in den Wind stellte. Aber einige brauchbare Teile aus dem alten Mühlenbau fanden ihre sinnvolle Verwendung in dem Neubau, zwei heute inzwischen ausgetretene, über 400 Jahre alte Holztreppen verbinden die Mühlenböden miteinander. Man kann sich kaum vorstellen, wieviel Müllerschweiß auf jede Stufe tropfte und welche Flüche beim Säckeschleppen gerade auf der Treppe ausgestoßen wurden, denn im Sommer, da war natürlich Hochbetrieb und die Mühle lief - wenn der Wind es erlaubte - über mehrere Wochen hindurch Tag und Nacht. Der diensthabende Müllerknecht schlief auf dem Sackboden in einer Butze - sozusagen Arm in Arm mit den Mäusen und wurde durch eine kleine Glocke geweckt, wenn der Mahlgang mit seinen Mühlsteinen wieder Nachschub brauchte. Um der Mühlen - Katze das Mausen zu erleichtern, stellte man die Jutesäcke auf dem Mahlboden immer so auf, daß der Kater zwischen den Reihen hindurch auf Mäusefang gehen konnte; erjagte gewissermaßen die kleinen, ungeliebten Nager in "Einbahnstraßen" hinein, die dann meisten tödlich für die Mäuse im wahrsten Sinne des Wortes in einer "Sackgasse", aus der es kein Entrinnen mehr gab, endeten. Aber die Zeit blieb nicht stehen und bald erleichterte ein windbetriebener Aufzug das Schleppen der schweren Säcke. Als Gegengewicht diente eine eiserne Kanonenkugel aus der napoleonischen Zeit, die 1813 dicht neben der neuerbauten Mühle in den weißen Dünensand geflogen sein soll. Man machte somit nicht gerade Schwerter zu Pflugscharen, funktionierte aber gefährliches Kriegsgerät zu friedlichen und nützlichen Zwecken um. 1813 heiratete Dettmer Michaelis, ein Bauernsohn aus Mahndorf, die 17jährige Tochter Margarethe des Windmüllers Bruns. Er übernahm die Mühle und wurde somit Besitzer der damit verbundenen "Gutsherrenfreien Brinksitzerstelle" mit der alten Brandkassen - Nr. 48. Dettmer Michaelis erkannte die Zeichen der Zeit und wollte sein Geschäft 1839 durch die Einrichtung einer Schankwirtschaft erweitern, denn Publikumsverkehr und durstige Mahlgäste hatte er bestimmt genug. Recht amüsant lesen sich sein Gesuch und der zwangsläufig nachfolgende Protest des alteingesessenen Arberger Krügers und Hofnachbarn Meinke an das "Königlich Hannoversche Gohgericht Achim": "Gesuch des Müllers Dettmer Michaelis zu Arbergen, die Ertheilung der Erlaubnis zur Krugnahrung betreffend: Wie ich höre, so soll in hiesigem Dorfe noch eine anderweitige Krugwirtschaft errichtet oder zugelassen werden. Da ich nun zur Führung einer solchen Wirtschaft eingerichtet bin und meine Wohnung nahe an der Chaussee belegen ist, so erlaube ich mir, das Königliche Gohgericht Achim ganz gehorsamst zu ersuchen: Mir die Ertheilung der Erlaubnis zur Führung einer solchen Wirtschaft hochgefälligst erwirken zu wollen. Zu dieser Bitte glaube ich mich um so mehr berechtigt, als ich zur Anlegung der Hauptstraße von Achim nach Bremen einen für mich bedeutenden Zuschuß oder freiwilligen Beitrag von 75 Thalern Conventionsmünze baar geleistet habe. Da ich mich jeder Zeit habe bereitwillig finden lassen und das allgemein Beste nach meine Kräften mit zu befördern, so hoffe ich, daß Euer Wohlergehen meine Bitte erfüllen und meine Resolution hiernach hochgefälligst ertheilen werde. Arbergen, den 28. Mai 1839" Leider blieb der Müller auf seinen Wirtschaftsträumen sitzen, denn schon vier Wochen später lag der Protest des Gastwirts Harmen Meinke bezüglich "Nichtgestattung einer zweiten Krugwirtschaft zu Arbergen" auf dem Tisch des Gohgerichts. Krüger Meinke führte an, daß die 10 Gasthäuser auf der kleinen Strecke zwischen Bremen und Achim vollauf ausreichend seien, außerdem gebe es kaum einkehrende Reisende und er habe schließlich 1826 die für ihn nicht unbedeutende Summe von 110 Reichstalern für den Chausseebau in der Hoffnung ausgegeben, daß sein Gasthaus einen größeren Aufschwung nehmen würde und die Investition somit einem möglichen Ruin entgegenwirken möge. Der Müller habe schließlich seine gutgehende Mühle und er müsse ausschließlich von seiner wenig erträglichen Kötnerei und dem Kruge leben.
Dem Einspruch wurde stattgegeben und die durstigen Mühlengäste mußten sich entweder mit schwarz ausgeschenktem "Mühlenschluck" begnügen oder zwangsläufig beim Krüger Meinke einkehren, denn "Grothenn's Gasthaus" machte erst gut 30 Jahre später auf. Dettmer Michaelis wurde 75 Jahre alt und verstarb am 18. 05. 1861. Inzwischen hatte sein Sohn Friedrich das Müllerhandwerk gelernt und die Mühle übernommen. 1863 riß man das alte, windschiefe Fachwerkhaus am Nordosthang des Windmühlenberges ab und baute nebenan ein neues, massives Wohnhaus. Er betrieb das Müllerhandwerk bis zu seinem Tode 1882. Da keine Nachkommen die Windmühle weiterführen konnten, verkaufte die Witwe am 22. November 1882 das Anwesen mit der Mühle und sämtlichen Gebäuden für 25 000 Goldmark an Lütje Kramer aus Wörpedorf. Seitdem ist die Windmühle im Besitz der Familie geblieben. Lütje Kramer, ein zäher und fleißiger Müller, baute die technischen Einrichtungen weiter aus. 1905 hielt die moderne Technik weiter Einzug in die Arberger Mühle und ein Petroleummotor tuckerte etwas schwach und mühsam in dem neu angebauten Motorenhaus, wurde aber schon im darauffolgenden Jahre durch einen leistungsfähigeren Sauggasmotor ersetzt. Da diese Motoren mit aus einem aus Kohle gewonnenem Gas arbeiteten, war ihr Betrieb gegenüber einem modernen Dieselmotor verhältnismäßig teuer. Dieser kam dann im Jahre 1912 und brachte die Mühle auch in windstillen Zeiten und besonders nachts so richtig in Schwung. Vierspännig und auf großen Rollwagen wurde das Getreide Anfang dieses Jahrhunderts aus den Bremer Häfen zum Mahlen von Backschrot und Futtermehl in großen Mengen herangefahren.
Lütje Kramers Sohn Heinrich zog sich 1920 die Müllerjacke an, modernisierte weiter, installierte einen elektrischen Antrieb und setzte den vierten Mahlgang ein. Heinrich Kramer war nicht nur ein guter Müller, sondern auch ein hervorragender Erzähler, wie das nachstehende, mit ihm etwa 1950 geführte Gespräch belegt: "Früher, jo dor keeken de Lür noch an,n Müller hoch up, dat dot se vandage nich mehr; nä, vandage is dat ganz anners wurn. Us Handwark is woll an'n meisten besungen worn, dat is'n Teken, dat dat Müllerhandwark in groten Ansehen bi de Lüde stünn. Genau so as de Buer, so woer de Windmüller ok von't wär affhängig. Ick hebb dat noch so richtig mitmakt, wo ans dat früher woer. Wenn wi all so'n paar Dage flauen Wind har'n, denn sä'n wi to use Oma, dat se us wecken dä, wenn dor nachts mal Wind upköm. Ja und röp us Oma nachts denn: "Jungs, de Wind is dor!" Na, denn woer't noch so schön mollig in'n Bett, denn möchen we dor nich geern rut. Aver use Oma purr so lange, bi't we up de Mühlen seet'n. Ganz fröher harrn wi ok noch dat Segellinnen an de Flügel, dat möß jeden Abend affnohmen weern. Wenn dat Winterdag woer, un dat woer den Dag över nat regn't und dörnett, denn köm dat vor, dat den annern Morgen, wenn wi dat Linnen wedder anmaken woll'n; stief froren woer. Denn müssen wi dat erst mit heet Water updaun, ehrder wi dat fastmaken künn. Dat woer gewiß keen Vergnügen, wenn dar baben up't Zwickstell (Galerie) de Wind so fleiten de, un alls woer een Is. Denn stünn man dar baben, een Been dör de Heckschede, (Flügelsprossen) un turnen mit dat gewichtige Segel an'n Flögelrum; denn könn dat woll angahn, dat een dat Water ut de Böchsenbeen lööp. Ja, ja, so'n Müller, de har'n sworen Beruf. Nu is dat jo meist all Späleree, nu wo se an de Flügel de Schalousie hebbt, dar brukt man blot's an to stellen, un je na dem, wo stark de Wind is, weerd se up ganz oder halw stellt, un wat de modeern sünd, de makt dat ja allen's automatisch. Fröher mit'n Segellinnen wör dat awer anners, denn moß man de Mühlen erst mal affstellen, un denn dat Segel anmaken. Dat gev Dage, wo wi dor ganz faken dat Segel ran un wedder rünner maken mossen - un jed'smal müssen wi in de Flügels rumklattern. Nu hebbt de Mühlen ok jo ne Windrose, de de Mühlen jümmer vörn Wind dreiht. Fröher geew't de awer noch nich, dor möß de Müller sülvs den swaaren Möhlenkopp gegen den Wind andreihn, wat bi fluttrigen Wind ne Heidenarbeit woer. Morgens löp use Vadder denn um de Möhlen umto, wo't schulen de, denn keem von de Gegenside de Wind, un dar mössen de Flügels denn henkieken. Ik weet noch eenmal, do woer de Wind ok so bilütjen afflaut, na, wi snakten noch, un dor woer von de annern Side 'n grotet Schuer upkamen, un mit'n mal set de Wind in. Dor köm just 'n fremden Gesell na de Mühlen her, so'n rech ten Zünftigen, de harr dat ok all seen. He föt ok glieks mit an un wi hebbt noch Glück hat - so eben, dat wi de Möhlen noch rumkreegen - denn woer,t Schuer dar. Wenn de Wind nämlich de Flögels von achtern packt, denn loppt de Möhlen verkehrt rum und de Flögels könnt darbi rünnerweihn, wat all männigmal passeert is."
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg drehte sich hier noch der Mühlstein, als sich das nicht aufzuhaltende Mühlensterben fortsetzte. Im Lande Bremen überstanden das nur fünf Windmühlen, und die Arberger Windmühle war die letzte, in der bis zum 1. September 1968 noch richtig gemahlen wurde. Zuletzt unter dem Müllermeister Heinrich Quensel aus Intschede, welcher den Mühlenbetrieb seit dem 1. Oktober 1954 gepachtet hatte. 1966 verkündeten die als Trauerschere gestellten Flügel weithin den Tod des alten Müllermeisters Heinrich Kramer. Schon 1953 kam die Mühle in Arbergen unter Denkmalschutz und der jetzige Besitzer Adolf Möller, welcher die Tochter von Heinrich Kramer heiratete, setzt sich in uneigennütziger Weise mit viel Tatendrang und privaten Geldern für den Erhalt dieses Arberger Wahrzeichens ein. Inzwischen führt der Sohn der Familie die ständig anfallenden Arbeiten mit dem entsprechenden Idealismus zum Erhalt dieses einmaligen Technikdenkmals weiter. Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege geraten beim Anblick der Arberger Mühle geradezu ins Schwärmen: "Ein phantastisches Ding!" Im Herbst 1992 bekam die in Bremen am besten erhaltene Windmühle mit funktionstüchtigem Mahlwerk die wohlverdienten neuen Flügel, selbstverständlich mit Jalousien, und jeder Besucher ist von dem guten Allgemeinzustand der Mühle fasziniert. Besonders beeindruckend ist das hervorragend erhaltene Balkenwerk mit den komplizierten hölzernen Zahnrädern, schweren Mühlsteinen, langen Hebeln und hölzernen Rutschen im Mühleninneren - Zeugen einer langen und harten Mühlentradition.
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Mit freundlicher Genehmigung von Rainer Pöttker aus: Achim-Uphusen, September 1996 Rainer Pöttker |